
In der Kastaneinalle zeigt sich die Verkehrspolitik der CDU wie im Brennglas: nach der Wiederholungswahl soll unter dem Motto “Miteinander” dem Auto- und Schwerlastverkehr weiter Vorrang gegeben werden. Dagegen haben moderne Verkehrspolitik, Rad Fahrende und Schüler/-innen keine Chance mehr. Betonkorridore im Wohngebiet ohne grüne Elemente und rasende LKW mit Tempo 50 sollen die Antwort der CDU auf die Herausforderungen des Klimawandels und gesundes Leben in Wohngebieten sein.
Das Bezirksamt Pankow hat eine aktualisierte Planung für die Sanierung der Kastanienallee veröffentlicht. Die Pläne können auf dieser Webseite eingesehen werden, einschließlich der vollständigen PDF-Pläne:
Es gibt einen 1. Teilabschnitt (TA) von der Friedrich-Engels-Straße, der ab dem Frühjahr 2024 gebaut werden soll. Die Baumfällungen sollen sogar noch im Herbst 2023 beginnen.
Der Regelquerschnitt im 1. TA ist wie folgt:

Für den 2. Teilabschnitt zwischen Eschenallee und Dietzgenstraße ist ein Planfeststellungsverfahren erforderlich, da dort eine größere bauliche Änderung des Straßenquerschnitts sowie eine Lärmschutzproblematik besteht. Wann das Planfeststellungsverfahren beginnen kann, ist unklar. Das Verfahren selbst dauert mindestens drei Jahre. Ein Baubeginn ist daher nicht vor 5-8 Jahren zu erwarten; entscheidend ist allerdings, welche Planung in die Planfeststellung eingegeben wird. In der Regel kommt es während des Verfahrens nicht mehr zu substanziellen Änderungen.
Der Regelquerschnitt des 2. Teilabschnittes beinhaltet nun gar keinen Radweg mehr, und auch keine Bäume. Es soll also ein Betonkorridor in der Häuserschlucht in einem reinen Wohngebiet entstehen, wo dann der Pendler- und Schwerlastverkehr mit Tempo 50 durchfahren kann.

Da es hier gar keine Radwege mehr geben soll (bzw. nur ein von Fuß- und Radverkehr gemeinsam genutzter Streifen), soll die Nordendstraße zwischen Friedrich-Engels-Straße und Schönhauser Straße zur Radverkehrsstraße gemacht werden, ebenso die Eschenallee als Verbindung zwischen Nordendstraße und Kastanienallee.
Unsere Bewertung dieser Planung ist wie folgt:
- Die Planung verstößt offenkundig gegen das aktuell noch geltende Mobilitätsgesetz demzufolge ausreichend dimensionierte Radwegsanlagen auf Hauptstraßen vorzusehen sind. Die CDU will diese gesetzliche Regel abschaffen. Ob dem die SPD zustimmen wird, ist unklar.
- Im 1. TA gibt es mit Farbe markierten „Radschutzstreifen“, im 2. TA soll es gar keinen Radweg, sondern nur einen gemischten Weg für Rad- und Fußgängerverkehr Diese Konzepte sind angesichts der Notwendigkeit zur Schaffung von attraktiven Alternativen zum Autoverkehr und zur Gewährleistung der Schulwegssicherheit inakzeptabel und völlig aus der Zeit gefallen.
- Das Ziel der Schulwegssicherheit wird aufgegeben, denn es wird baulich gesicherte Radwege weder in der Kastanienallee, noch in der für Radverkehr viel zu engen und zugeparkten Nordendstraße geben, ebenso ist auch kein sicherer Radweg und auch keine sichere Kreuzung/Radweg in der Friedrich-Engels-Straße eingeplant. Schüler/-innen können also grundsätzlich nicht auf einem sicheren Radweg zur Grundschule in Rosenthal gelangen.
- Die Kastanienallee in dieser Ausbauform wird immer noch mehr motorisierten Pendler- und Schwerlastverkehr anziehen – die Konflikte im Wohngebiet werden immer stärker.
- Heutige Stadt- und Straßenplanungen fordern Anpassungen an den Klimawandel – wie auch Senatorin Schreiner sagt. Nichts davon ist in der Kastanienallee zu erkennen: der grüne Mittelstreifen mit Bäumen im 1. TA soll gänzlich verschwinden, im 2. TA gibt es gar nichts mehr, was Schatten spenden würde oder sich als Versickerungsfläche eignen würde. Die Menschen in Rosenthal erwartet ein verkehrsreicher Hitzekorridor, der bei Starkregen überschwemmt wird.
- Die CDU behauptet, dass mit der Sanierung der Lärmpegel sinken werde, da sog. „Flüsterasphalt“ verwendet werden solle. Die höhere Geschwindigkeit und das höhere Verkehrsaufkommen werden diesen Effekt schnell zunichte machen und das Gegenteil wird eintreten. Es existiert bereits ein „Schalltechnisches Gutachten“ für diese Planung – dieses wird allerdings vom Senat unter Angabe zweifelhafter Gründe unter Verschluss gehalten trotz IFG-Anfragen von uns. Wir wissen jedoch, dass für den 2. TA in den Häusern Schallschutzfenster vorgesehen sind, um größere Lärmschäden zu verhindern. Eine solche Planung, die ganz bewusst solche Lärmpegel in Wohngebieten entstehen lässt ist in einem reinen Wohngebiet inakzeptabel.
Zusammenfassend folgt diese Planung den Prinzipien der CDU, wonach Hauptverkehrsstraßen primär dem motorisierten Verkehr dienen und ausgebaut werde sollen und Nebenstraßen verkehrsberuhigt werden sollen. Radverkehr soll prinzipiell in Nebenstraßen stattfinden, da die Hauptstraßen für Autoverkehr freigehalten werden sollen, einschließlich der Erhaltung von Parkplätzen.
Die Probleme hierbei sind Folgende:
- Radverkehr in meist komplett zugeparkten Nebenstraßen ist weder attraktiv noch sicher, was die ständigen Probleme und Rad-Unfälle in der Ossietzkystraße zeigen. Für eine Radverkehrsstraße in der Nordendstraße müssten dort wegen des engen Platzes alle Parkplätze wegfallen. Gleichzeitig mit dem Wegfall der allermeisten Parkplätze in der Kastanienallee wird die CDU das jedoch nicht machen. So werden sich Rad Fahrende zwischen Parksuchverkehr, drängelnden Autofahrern und zugeparkten Kreuzungen durschlagen müssen. Attraktiv ist das nicht, sondern gefährlich und langsam.
- Aufgemalte Radstreifen sind für den Schülerverkehr nicht nutzbar, da die Kinder eingeklemmt zwischen rasenden LKW auf der einen Seite und ein- und ausparkenden PKW auf der anderen Seite diese „Rad-Schutzstreifen“ nicht nutzen können. Im Hinblick auf Schulwegssicherheit ist der Radweg im 1. TA also nutzlos. Derselbe Fehler wurde in der Kastanienallee jenseits der Friedrich-Engels-Straße schon gemacht mit dem Ergebnis, dass alle Schüler-/innen auf dem Gehweg fahren, wie man jeden Tag dort beobachten kann.
- Die CDU hat kein Verkehrskonzept, und auch keine Antwort darauf, wie Mobilität in Zeiten der Klimakrise funktionieren soll. Auch im Hinblick auf Klimaresilienz der Stadt ist diese Planung das genaue Gegenteil von dem, was nötig wäre. Die CDU begibt sich damit in offensichtlichem Widerspruch zu ihren eigenen Aussagen: der regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt Manja Schreiner (CDU) haben sich u.a. zu folgenden Zielen verpflichtet:
- Reduktion der CO2-Emissionen um 90% bis 2040 und Klimaneutralität bis 2045 klimaneutral zu machen (einschließlich des Verkehrssektors)(1). Idealerweise soll Klimaneutralität bereits 2040(2) erreicht werden.
- Eindämmung des Autoverkehrs(3).
- Berlin soll resilient gegenüber Hitze, Trockenheit und Extremwetter gemacht werden(4).
Quellen:
(1) https://www.berlin.de/sen/uvk/klimaschutz/klimaschutzpolitik-in-berlin/ziele-und-grundlagen/
(4) https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2023/pressemitteilung.1367343.php
Die CDU handelt also offensichtlich gegen ihre eigenen Leitlinien und/oder täuscht die Menschen über ihre Absichten – anders können wir uns das nicht erklären. Gleichzeitig wird diese Verkehrspolitik als „Miteinander“ verkauft – tatsächlich ist diese Politik vorrangig dazu da, die absoluten Vorrechte des Autoverkehrs in Beton zu gießen. Auf den Straßen Berlins soll somit weiter das Recht des Stärkeren gelten; vor allem Kinder und ältere Menschen sollen keine gleichberechtigte Teilnahme am Straßenverkehr haben, denn der zur Verfügung stehende Platz ist schon an den Auto- und LKW-Verkehr vergeeben.
Auch die CDU hat längst erkannt, dass eine reine Antriebswende auf E-Mobilität niemals ausreichen wird, die Klimaziele im Verkehr einzuhalten (Zitat Senatorin Manja Schreiner oben; aktuell 14% E-Fahrzeuge bei Neuzulassungen, der Bestand an E-Fahrzeugen wächst viel zu langsam). Das o.g. Ziel der Klimaneutralität des Verkehrssektors ist daher nur durch eine Reduktion des Autoverkehrs und Schaffung von attraktiven Alternativen dazu zu erreichen. Den Menschen soll also suggeriert werden, dass man die Klimaziele mit Erhaltung und Ausbau des Autoverkehrs erreichen könne, was unwahr ist. Bekanntermaßen setzt die CDU daher auf Wundertechnologien wie „Flugtaxis“ und den U-Bahnbau, der 20-30 Jahre dauert und immense Kosten und CO2-Ausstoß verursacht.
Die Politik der CDU ist einerseits voller Widersprüche und Unklarheiten, andererseits zeigt sie klimapolitische Konzeptlosigkeit und grenzt alle schwächeren Verkehrsteilnehmer/-innen aus.
Was fordern wir ?
- Wir fordern endlich Gespräche auf Augenhöhe, in welchen in einem offenen Ansatz Lösungen und Kompromisse gefunden werden können – anstatt dass über die Menschen vor Ort in Hinterzimmern und Amtsstuben entschieden wird.
- Konkret müssen verschiedene Sanierungs-Varianten der Kastanienallee auf den Tisch, die als Alternativen diskutiert werden können. Ferner werden die Probleme hier nicht ohne ein übergreifendes zukunftsorientiertes Konzept gelöst werden können – hierfür liegt unser Verkehrskonzept “Kiezgebiet” auf dem Tisch als Diskussionsgrundlage.
- Seit über fünf Jahren werden uns Gespräche hierüber vom Bezirksamt und Senat verweigert. Der letzte Senat hatte nach jahrelanger Vorarbeit tatsächlich einen Dialog mit uns begonnen. Dieser Prozess ist nach der Wiederholungswahl zum Stillstand gekommen, Fortsetzung ungewiß.
Jetzt sind Sie gefragt:
Schreiben Sie Ihre Meinung zu dieser Verkehrspolitik an Vertreter/-innen der Politik, und kopieren Sie Ihre Nachricht auch gerne an uns mit ein:
Bürgermeisterin Cordelia Koch (GRÜNE) buergermeisterin@ba-pankow.berlin.de . Bezirksbürgermeisterin Dr. Cordelia Koch, Breite Straße 24A-26, 13187 Berlin
Stadträtin für Verkehr und öffentliche Ordnung Frau Anders-Granitzki (CDU) manuala.anders-granitzki@ba-pankow.berlin.de Straßen- und Grünflächenamt Pankow, Darßer Straße 203, 13088 Berlin
Senatorin Manja Schreiner (CDU) senatorin@senumvk.berlin.de Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin.
Fraktionsvorsitzende der CDU in der BVV Pankow Frau Denise Bittner (CDU) info@fraktion-cdupankow.de . Denise Bittner, CDU Fraktion Pankow, Fröbelstraße 17, 10405 Berlin
Abgeordneter der CDU im Abgeordnetenhaus für Pankow-Nord Lars Bocian (CDU) kontakt@lars-bocian.de. Bürgerbüro Lars Bocian (CDU), Berliner Str. 5, 13127 Berlin
Wir werden in Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative Kastanienallee (https://kastanienallee-rosenthal.de/) weitere Schritte gegen diese Planung unternehmen.
Noch einmal unsere Bitte: tragen Sie sich in unseren E-mail Verteiler (links) ein – wir werden Ihre Unterstützung brauchen !
Berichterstattung in der Presse:
Tagesspiegel vom 26.10.23: Radweg-Wegfall als “Skandal”: Initiative kritisiert Umplanung der Kastanienallee
Tagesspiegel: Umbau der Kastanienallee startet doch: Neue Fahrradstraße in Berlin-Pankow kommt als „Kompromiss“ für Lkw-Trasse