Entwurf des Lärmaktionsplans: wirksame Konzepte zur Lärmminderung nicht geplant – oder: mit neuem Fahrbahnbelag gegen Schwerlastverkehr

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hat den Entwurf zum Lärmaktionsplan 2018-2023 veröffentlicht. Diesem war eine Bürgerbeteiligung vorausgegangen, bei der zahlreiche Eingaben aus Wilhelmsruh und Rosenthal gemacht wurden. Die Friedrich-Engels-Straße kam auf Nr. 1 der am höchsten bewerteten Lärmorte in Berlin.

Wir haben den Enwurf geprüft – aus unserer Sicht weist dieser jedoch keine effektiven Konzepte und Maßnahmen auf, um in absehbarer Zeit die Bevölkerung vor lärmbedingten Gesundheitsgefahren zu schützen.

Machen Sie sich daher selbst ein Bild, lesen Sie unsere Kritikpunkte unten, laden Sie sich den Plan herunter und geben Sie direkt an die Senatsverwaltung Rückmeldungen bis zum 30. August auf dieser Seite.

Unsere Bewertung des Entwurfs des Lärmaktionsplans:

Tempo 30

Die Aussagen zu Tempo 30 sind insgesamt vage. Es heißt „Um die Aufenthaltsqualität in besonders sensiblen Bereichen und somit Stadtqualitäten zu verbessern, kann eine Tempo-30-Anordnung aus Lärmschutzgründen auch im Tageszeitraum erforderlich sein. Dabei werden neben der Lärmbelastung insbesondere Synergien mit der Verkehrssicherheit und der Luftschadstoffbelastung in die Untersuchung einbezogen“.

Im Koaltionsvertrag heißt es:

  • Lärm mindern: „Dem Verkehrslärm wird die Koalition durch ein Maßnahmenpaket begegnen, zu dem Temporeduzierungen abschnittsweise auch auf Hauptverkehrsstraßen und Autobahnen sowie der lärmmindernde Umbau von Straßen und Bahntrassen gehören.
  • „Die Koalition richtet Geschwindigkeitsbeschränkungen in Wohngebieten ein…“ 
  • „Um die Häufigkeit und Schwere von Unfällen zu reduzieren, wird die Koalition alle rechtlichen Möglichkeiten zur Ausweitung und Neuausrichtung von Tempo 30-Zonen nutzen. Bis 2020 sollen lärmmindernde, zur Mobilitätssicherheit beitragende Tempo 30-Abschnitte auf Hauptverkehrsstraßen geschaffen werden“.

Reine und allgemeine Wohngebiete sind grundsätzlich als sensible Bereiche einzuordnen, in denen auch der Aspekt der Verkehrssicherheit eine große Rolle spielt – bisherige Eingaben in diesem Sinne an die Verkehrslenkungsbehörde wurden jedoch regelhaft abgelehnt. Angesichts der Schwer der Problematik und der zahlreichen Eingaben von Anwohnenden z.B. in Wilhelmsruh und Rosenthal bleibt unverständlich, warum hier keine konkretere Regelung zu Tempo 30 in Wohngebieten – auch auf Hauptverkehrsstraßen – formuliert ist, vor allem vor dem Hintergrund erklärter Politik von Rot-Rot-GRÜN.

Wir fordern: die Mindestforderung ist aus unserer Sicht, dass der Lärmaktionsplan konkret Kriterien für Tempo 30 in reinen und allgemeinen Wohngebieten vorsieht und nicht hinter die Mindestforderungen des Koalitionsvertrags noch zurückfällt.

 

Keine ausreichende Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Lärm-Grenzwerten

In zahlreichen wissenschaftlichen Studien aus jüngerer Zeit konnte gezeigt werden, dass das Risiko für Erkrankungen wie z.B. an Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes und Depressionen schon bei deutlich geringeren Lärmpegeln als bisher angenommen deutlich zunimmt. So empfiehlt das Umweltbundesamt für reine/allgemeine Wohngebiete einen maximalen Pegel von 59dB(A). Die Weltgesundheitsorganisation hat nun Ende 2018 diese Empfehlung noch weiter nach unten korrigiert auf einen Wert von 53dB(A), unter der das Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen als gering eingestuft wird.

Der Entwurf des Lärmaktionsplans geht hierauf nicht relevant ein – als Zielwert wird nach wie vor ein Korridor von 55-70dB(A) angegeben. Angesichts der absehbaren Notwendigkeit, diese Werte in Zukunft noch viel deutlicher senken zu müssen um Gesundheitsgefährdungen der Bevölkerung abzuwenden, erscheinen die bisher im Lärmaktionsplan vorgesehenen Einzel-Maßnahmen nicht ausreichend.

Wir fordern: die Vorgaben des Lärmaktionsplans müssen auf die aktuellen Vorgaben des Umweltbundesamtes und der Weltgesundheitsorganisation ausgerichtet sein.

 

Keine Berücksichtigung von Konzepten von Schwerlastverkehr

Schwerlastverkehr ist in Wohngebieten eine der wesentlichsten Lärm- und Gefahrenquellen. Der Entwurf zum Lärmaktionsplan geht hierauf nicht in relevanter Weise ein. Wie in den Kommentaren  der SenUVK zu den Eingaben der Bürger aus Rosenthal und Wilhelmsruh deutlich wird, wird eine Beschränkung des Schwerlastverkehrs als grundsätzlich nicht möglich angesehen, da sonst nur der Verkehr auf andere Straßen verlagert werden würde.

Wir halten es für unverantwortlich, das Problem des Schwerlastverkehrs in Wohngebieten in diesem Zusammenhang zu ignorieren und keinerlei Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Keine im Lärmaktionsplan genannte Schallschutzmaßnahme wird dauerhaft ausreichen, LKW-Lärm in reinen/allgemeinen Wohngebieten als gesundheitsgefährdende Lärmquelle zu beseitigen.

Die Lärmaktionsplanung muss daher bei besonders durch LKW-Verkehr belasteten Wohngebieten Verkehrskonzepte für Wirtschaftsverkehr entwickeln, die einerseits eine Regulierung und Einschränkung des LKW-Verkehrs vorsehen und andererseits mittel- und langfristig Lösungen aufzeigen, wie Wohn- und Industriegebiete entflochten und die Dauerkonflikte gelöst werden können. Hierfür müssen Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben, und  mittelfristig auch lärm- und verkehrsintensive Industrie verlagert und Verkehrskonzepte für Wirtschaftsverkehr entwickelt werden.

Die Haltung der SenUVK, Schwerlastverkehr rund um die Uhr in Wohngebieten als offenbar unabwendbare Notwendigkeit ohne Möglichkeit der Steuerung, Regulierung und Begrenzung hinzunehmen, ist inakzeptabel. Die Ablehnung dieser Politik wird auch durch die hohe Beteiligung an der Petition „Für ein modernes Verkehrskonzept im Norden von Pankow und gegen Schwerlastverkehr in Wohngebieten“ unterstrichen.

Wir fordern: dieses Problem muss im Lärmaktionsplan thematisiert werden!

 

Keine Berücksichtigung von Konzepten für Pendlerverkehr

Ein weiterer Schwachpunkt des Lärmaktionsplan ist die fehlende Berücksichtigung des Problems des Pendlerverkehrs, insbesondere in den Stadtrandgebieten und Wohngebieten. Es ist erklärter politischer Wille, Alternativen für pendelnde Menschen auf ihrem Weg in / aus der Stadt anzubieten, und diese zum Umstieg vom Auto weg zu bewegen. Dies würde im Bezug auf dem Lärm in den betroffenen Wohngebieten eine erhebliche Entlastung bringen.

Es ist unverständlich, warum dieser wichtige Bestandteil im Entwurf des Lärmaktionsplans in keiner Weise berücksichtigt wird. In Analogie zum Schwerlastverkehr wird sich durch keine der genannten Einzelmaßnahmen das Lärmproblem in Wohngebieten dauerhaft lösen lassen.

Wir fordern: dieses Problem muss im Lärmaktionsplan thematisiert werden!

 

Unser Fazit:
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass der Lärmaktionsplan nur Einzelmaßnahmen beinhaltet, die jedoch für sich genommen nicht ausreichend sind, um die jetzt schon als überhöht anzusehenden Grenzwerte einzuhalten. In keinem Falle können absehbar die nach aktuellen wissenschaftlichen Standards einzuhaltenden Grenzwerte ohne eine Reduktion, Steuerung und Regulierung des gesamten Verkehrs durch darauf zugeschnittene Konzepte eingehalten werden. Der Entwurf des Lärmaktionsplans deckt daher bereits aktuelle Anforderungen und in keinem Falle künftige Anforderungen an Lärmschutz und Verkehrspolitik nicht ausreichend ab und muss dahingehend überarbeitet werden.

Mit lärmarmen Fahrbahnbelag und Schallschutzfenstern kann man nichts gegen Schwerlastverkehr in Wohngebieten ausrichten!

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