2. Bürgerversammlung zur Kastanienallee – Fortschritt bei der Diskussion um die Kastanienallee in Pankow/Rosenthal ?

Am 24.01.2018 fand die zweite Bürgerversammlung zur Sanierung/Neubau der Kastanienallee in Pankow/Rosenthal mit Vertretern des Bezirksamts und des Senats statt, welche vom Bürgerverein Dorf Rosenthal e.V. organisiert wurde. Auf der Internetseite des Bürgervereins finden Sie einen ausführlichen Bericht, die Vortragsfolien und auch ein Protokoll der Veranstaltung, in welchem der Verlauf und die zentralen Aussagen der Akteure nachzulesen sind. Wir möchten daher an dieser Stelle die Inhalte der Veranstaltung nur kurz zusammenfassen, diese aber vor allem kritisch und aus unserer Perspektive bewerten.

Tempo 30 und Lärmschutz

Herr Staatssekretär Kirchner (GRÜNE) beschrieb die Kastanienallee als „normale Berliner Stadtstraße“, bei welcher eine Belastung von 500 LKW / Tag völlig normal sei. Er räumte ein, daß die Folgen dieser Verkehrsbelastung von den Anwohnern anders empfunden werden könnten. Dem Widersprach u.a. Herr Kempe (Vors. Verkehrsausschuss BVV, LINKE); die Straße ist aufgrund des Umfelds und der dichten Wohnbebauung für Wirtschaftsverkehr nicht geeignet.

Herr Bezirksstadtrat Kuhn (GRÜNE) und seine Mitarbeiterin Frau Lafuente (Bezirksamt) trugen die bekannten Positionen und Ausgestaltung der seit März 2017 bekannten Planung vor – als Tempo 50-Straße, mit Radschutzstreifen und ohne Bäume. Im Frühjahr wird ein Lärmgutachten erwartet, anhand dessen die Vereinbarkeit mit der geltenden Lärmschutzordnung noch zu überprüfen ist. Möglicherweise erfordert der Lärmschutz Tempo 30.

Vom Verein für nachhaltige Verkehrsentwicklung wurden noch einmal die bereits jetzt deutlich überschrittenen Lärm-Grenzwerte dargestellt und klargestellt, daß eine Wiedereinführung von Tempo 50 und ein weiteres Verkehrswachstum nur auf Kosten der Gesundheit der Anwohner möglich ist (Vortrag zum herunterladen hier).

In der nachfolgenden Diskussion wurde der eindeutige Wunsch der anwesenden Bürgerinnen und Bürger deutlich, daß zur Verringerung der o.g. Probleme die Kastanienallee als Tempo 30-Straße ausgestaltet werden soll.

Unser Fazit: bei diesem Punkt ging ein klares Signal für die Gestaltung als Tempo 30-Straße an die Politik. Herr Kirchner und Herr Kuhn sagten zumindest zu, dies als Option in die weitere Planung mit einzubeziehen. Dies kann als Teilerfolg gewertet werden. Unsere Ansicht, daß die Kastanienallee für durchgehenden Wirtschaftsverkehr – vor allem als einzige tangentiale Verbindung – und als Autobahnzubringer dafür nicht geeignet ist, wurde durch Herrn Kempe bestätigt.

Vereinbarkeit der Straße mit dem Ortsbild, Verkehrsgefahren durch Schwerlastverkehr

Der Verein für nachhaltige Verkehrsentwicklung erläuterte anhand von Bildern den schweren Eingriff in das Ortsbild und dessen verkehrliche Folgen einschließlich des Industrieverkehrs, wenn künftig eine von Haus zu Haus durchgehende Betonpiste statt einer Allee das Ortsbild in Rosenthal prägen soll. Der einzig von der Verwaltung hierzu vorgebrachte Punkt ist die Querungshilfe im Bereich der Kreuzung zur Schönhauser Straße.

Unser Fazit: die Planung wird hier ausschließlich nach den Interessen des Durchgangs- und Schwerlastverkehr durchgeführt. Die Folgen der aktuellen Planung insbesondere im eng bebauten Bereich ab Eschenallee sind für die Anwohner gravierend, finden aber keine Berücksichtigung. Herr Kirchner und Herr Kuhn zeigten kein erkennbares Verständnis für diesen Punkt. Das Wort „Interessensausgleich“ wird in diesem Zusammenhang von Herr Kirchner und Herrn Kuhn sehr einseitig gebraucht.

Bäume und Stadtnatur

In Zeiten einer Rot-Rot-Grünen Landesregierung kann anhand der Aussagen der Wahlprogramme erwartet werden, daß Stadtbäume geschützt und erhalten werden. Aktuell läuft auch eine Stadtbaumkampagne der Senatsverwaltung hierzu. Der vom Verein für nachhaltige Verkehrsentwicklung dargestellte Widerspruch zwischen politischen Aussagen im Wahlkampf sowie der Kampagne der Senatsverwaltung und der aktuellen Planung, bei welcher eine Allee durch eng bebautes Wohngebiet zur einer baumlosen Straße umgestaltet werden soll, bleibt in vollem Umfang bestehen.

Unser Fazit: die aktuelle Planung steht in völligem Widerspruch zu politischen Positionen und Aussagen der Handelnden. Die Vertreter von Politik und Verwaltung nahmen hierzu keine Stellung und eine diesbezügliche Güterabwägung erfolgt nicht. Aus unserer Sicht steht die Glaubwürdigkeit der Politik bezüglich des Erhalts von Stadtnatur – insbesondere der Grünen Partei – hier grundsätzlich in Frage.

Radverkehr

Zum Radverkehr wurde im Wesentlichen abstrakt auf die Notwendigkeit einer Radverkehrsanlage bei Sanierung / Neubau einer Verbindungsstraße der Kategorie III verwiesen. Es wurde einmal mehr deutlich, daß dieser Planung kein Konzept für Radverkehr in Pankow zugrunde liegt. Der Verein für nachhaltige Verkehrsentwicklung wies darauf hin, daß an dieser Stelle nur geringer Bedarf an durchgehendem Radverkehr ist, und daß Radrouten gemäß des tatsächlichen Bedarfs nötig seien. Vorschläge hierzu wurden gemacht. Außerdem muss das Konzept ungeschützter Radstreifen auf Hauptverkehrsstraßen auch nach den Aussagen der Senatsverwaltung hierzu bereits heute als veraltet gelten.

Unser Fazit: die politisch Handelnden gingen nicht erkennbar auf die Notwendigkeit besserer Radverkehrskonzepte ein. Nach unserer Ansicht wird hier eine Schema-F Radpolitik betrieben, die an Bedürfnissen und heutigen Standards vorbeigeht. Das simple Ausspielen von Stadtbäumen gegen Radschutzstreifen halten wir für unakzeptabel.

Zusammenfassend bewerten wir die Veranstaltung als gelungen im Sinne eines aktiven Dialogs zwischen Politik und Verwaltung mit den Bürgern. Erkennbare Bereitschaft zu Kompromissen besteht lediglich bei der Prüfung von Tempo 30 als Option. Besonders kritisch werten wir die Aussagen dahingehend, daß auch bei Tempo 30 die Aufteilung des Straßenraums (keine Bäume , keine Parkplätze) nicht verändert werden soll. Die übrigen Probleme und Widersprüche bleiben weiterhin unbeantwortet. Ferner kritisieren wir das Fehlen eines Verkehrskonzepts, welches eigentlich selbstverständliche Grundlage für die Ausgestaltung der Kastanienallee sein müßte.

Die Bürgerinnen und Bürger müssen daher auch weiterhin intensiv und auch in der Öffentlichkeit und den Medien auf die bestehenden Probleme hinweisen, damit ihre Interessen Berücksichtigung finden.

Wie ist Ihre Meinung hierzu ? Wenn Sie bei der Bürgerversammlung anwesend waren – welchen Eindruck hatten Sie von den Aussagen der Politik und Verwaltung ? Kommentieren Sie direkt hier auf dieser Seite oder schicken Sie uns eine e-mail an post@verkehr-pankow.de !

7 Gedanken zu „2. Bürgerversammlung zur Kastanienallee – Fortschritt bei der Diskussion um die Kastanienallee in Pankow/Rosenthal ?“

  1. Tempo 30 scheint das einzige Zugeständnis an die Anwohner zu sein. Mehrere Versuche von Seiten Hr. Kirchners, die Anwohner der verschieden betroffenen Straßen gegeneinander Auszuspielen, haben aber deutlich gezeigt, dass ein übergreifendes Konzept das die Anwohnerinteressen verbindet, von ihm als ernste Gefahr für seine unzeitgemäßen Ausbaupläne sind. Des weiteren wurde versucht die Interessen der Fahradfahrer und eine baumbestandene Allee als Gegensatz darzustellen. Herr Kempe hat in seinem Schlußwort darauf hingewiesen, dass jeglicher Ausbau der Kastanienallee oder auch der Nordtangente nur eine weitere Zuhnahme des motorisierten Verkehrs zur Folge hat.
    Die Versammlung hat mir gezeigt, dass mit gemeinsamen Handeln aller Betroffenen durchaus Veränderungen erreicht werden können, Deshalb dürfen wir jetzt nicht nachlassen und sollten uns überlegen wie unser Anliegen weiter in die Medien kommt.

  2. Die Kastanienallee ist ein historische Ausfallstraße und hat als solche ihren Allee-Charakter bis heute sichtbar bewahrt. Natürlich befindet sie sich wegen des vermehrten Raumbedarfs nun am Rande der Innenstadt von Berlin. Sie ist aber mitnichten eine typische Berliner Stadtstraße! Schon von der Grundanlage her nicht. Aus Gesichtspunkten des Denkmalschutzes erscheint es mir wichtig, diesen historischen Charakter bei der Straßensanierung zu bewahren und zu stärken. Man hat hier die Chance, modern, nachhaltig und umweltbewusst zu sanieren, in dem man sichtbar erhält, dass Rosenthal ein altes Dorf gewesen ist, das an Berlin heranschmolz. Zu diesen Dörfern gehören in der ganzen Region Berlin/Brandenburg die baumbestandenen Alleen. Das ist regionaler Landschaftscharakter und Tradition. Deswegen kommen die Fahrradtouristen zu uns. Die Alleebäume unterstützen den dörflichen Charakter der Siedlung. Das momentane Sanierungskonzept erscheint sowohl denkmalpflegerisch als auch landschaftsarchitektonisch undurchdacht. Man will die Allee abzuholzen, damit die LKWs besser durchpassen? Das soll eine grüne Position sein? Was ist denn mit dem ganzen Tierbestand in den Kastanien? Die Nachtigallen sind durch die zunehmende Bestandsverdichtung schon im letzten Jahr verdrängt worden. Für mich ergibt sich der Eindruck, dass man sich hier überhaupt keine großen Gedanken über den besonderen Charakter der Straße gemacht hat und jetzt verwundert ist, dass die Anwohner wegen der Sanierung auf die Barrikaden gehen. Und das ist auch richtig so, denn hier ist weder vernünftig noch zukunftsweisend geplant worden, aber das kann man ja noch ändern ;)) Wir wohnen gern im alten Dorf Rosenthal und so soll es auch bleiben. Die Bäume müssen auf jeden Fall bleiben oder ersetzt werden. In der Breiten Straße in Berlin-Mitte und in der Brüderstraße sind auch wieder Bäume gepflanzt worden, damit der alte Charakter dieser Straßen deutlich wird, also bitte, es geht doch!

    1. Danke für diesen Kommentar. Besser könnte ich auch nicht formulieren, was wir und fast alle Menschen in Rosenthal denken.

    2. Das ist genau das, was Herr Kirchner nicht hören will, ERHALTUNG, er sucht keinen Weg zur Lösung, soll er sich jetzt Gedanken machen
      es ist doch bereits alles geplant.
      Wie er am Ende der Versammlung im Januar sagte könnte er die
      Straße ja auch schließen für den Verkehr, wäre vielleicht nicht
      schlecht, dann ebend nur eine Fahradstrasse !

  3. Hallo in die Runde! Das bei Neu-/Umbaumaßnahmen von Hauptverkehrsstraßen heute immer Radverkehrsanlagen (RVA) mit gebaut werden, ist richtig. Berlin wird immer weiter verdichtet. Ohne Verkehrswende dreht sich bald kein Rad mehr. Doch ein friedliches Nebeneinander von motorisiertem und nichtmotorisiertem Verkehr ist in unserer Gesellschaft scheinbar nicht möglich. Um Menschen zum Umstieg auf das Rad zu ermutigen, müssen sie sich überall sicher fühlen können. Der Verweis auf ein Routenkonzept ist zwar richtig aber Ziel- und Quellverkehr gibt es überall. Viel Radfahrende benutzen ihr Rad wie andere ihr Auto und sie fahren nicht nur im nahen Umfeld, sondern auch weite Entfernungen. Ich selber fahre im Alltag zwischen 22 und 40 km und erledige fast alle Wege zwischen Pankow und Kreuzberg mit dem Rad. Da kenne ich mich naturgemäß nicht so gut im jeweiligen Nebenstraßennetz aus und fahre dann lieber Hauptstraßen. Von meinen Kollegen pendeln viele zwischen Buch und der Innenstadt mit dem Rad. Auch aus Reinickendorf. Sie werden sich über die gerade, glatte, ampelfreie Straße freuen und nicht durch die Kirchstraße hoppeln wollen. Nebenstraßen haben Nachteile: rechts-vor-links, oft schlechte Oberflächen (das ist auf dem Rad deutlich unkomfortabler als im Auto) und in engen Nebenstraßen, wo im Begegnungsverkehr keine 2 KFZ Platz haben, wird man trotzdem noch schnell überholt und muss dann hinter dem Auspuff warten. Da kommt man oft weder zügig noch angenehm voran.
    Im Übrigen reicht allein T30 nicht aus, um auf eine RVA zu verzichten. Lediglich in T30-Zonen werden keine RVA angelegt. Jedenfalls in Berlin ist das so.
    Ein 2-Richtungsradweg wurde vorgeschlagen. Das ist immer damit verbunden, dass Radfahrende zusätzlich 2x die Fahrbahn queren müssen. An Einmündungen und Zufahrten kann es schnell zu Konflikten kommen. Es wäre ein Kompromiss zulasten der Radfahrenden. Außerdem erziehen solche Radwege die Leute dazu, überall in Gegenrichtung zu fahren.

    Die von vielen bevorzugte 1. Variante der hier erarbeiteten Alternativen hat die breitesten Fahrbahnen. Das verleitet auf einer glatten, geraden Straße doch sehr zum Schnellfahren.

    Wenn Herr Kirchner in der Bürgerversammlung gesagt hat, dass die Heidekrautbahn wenigstens für den Güterverkehr wieder in Betrieb gehen soll, dann ist das doch schon mal ein Konzept. Güter auf der Schiene entlasten Straßen und Wohngebiete. Das wurde neulich beim Treffen etwas kleingeredet. Natürlich dauert das noch viele Jahre und hilft auch nicht im Kampf um die Bäume.

    Da Radverkehr die Lösung für viele Probleme ist (Lärm, Platz, Schadstoffe, Klima, Zivilisationskrankheiten…), die Bäume aber auch wichtig sind, der Platz für alles nicht ausreicht, bliebe noch der Verzicht auf eine KFZ-spur. Man kann es drehen und wenden, auch die Tangentialverbindung Nord wird Stadtnatur zerstören und wird noch mehr Verkehr generieren. Die Politik kann das nicht lösen. Wir müssen unsere Mobilitäts- und Kaufgewohnheiten ändern.

    Sorry, das war jetzt ganz schön viel.

    Ich wünsche den Anwohnern viel Erfolg! Die Sorgen kann ich gut verstehen.

  4. Guten Tag zusammen,
    ich möchte eine aus meiner Sicht nicht ganz unwichtige Sache anmerken.
    Wenn es tatsächlich beim Bauginn Frühjahr 2019 für die Kastanienallee bleiben sollte, dann würde auch zeitgleich
    die Grundsanierung der Straße vor Schönholz bis Germanenstraße / Ecke Platanenstrasse stattfinden.
    Das würde bedeuten, das ganz Rosenthal aber auch weite Gebiete von Niederschönhausen im absoluten
    Verkehrchaos versinken, weil gleich zwei wichtige Einfallstrassen für 3 Jahre gesperrt währen.
    Der gesamte Verkehr würde noch dramatischer, in die kleinen nicht aufnahmefähigen Anwohnerstrassen ausweichen!
    Ein Chaos für ganze 3 Jahre wäre vor vorprogrammiert!!!
    Angerweg, Platannenstrasse aber auch alle weiteren Querverbindungen wären hoffnungslos verstopft, wie man es auch schon in der Vergangenheit sehen konnte, als die Dietzgenstrasse und Friedrich- Engels-str. 2. Bauabschnitt gesperrt waren und sich täglich mehrere hundert Meter lange Staus bildeten.
    Ich denke, man sollte den Herrn Vollrad Kuhn mal dringend darauf hinweisen.
    Im Bezirk macht dazu bestimmt niemand ernsthaft Gedanken, war in der Vergangenheit auch so.
    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

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